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Das Kapitalband: Grundprinzipien und Verhältnis zum bedingten Kapital

Das Kapitalband: Grundprinzipien und Verhältnis zum bedingten Kapital

Fachbeitrag
Aktiengesellschaft (AG)

Das Kapitalband: Grundprinzipien und Verhältnis zum bedingten Kapital

Am 1. Januar 2023 wird der Hauptteil der Aktienrechtsrevision vom 19. Juni 2020 in Kraft treten, darunter die Bestimmungen zum Kapitalband, die zu den wichtigsten Neuerungen der Revision gehören. Dieser Beitrag widmet sich zunächst den Grundprinzipien des Kapitalbands: Dessen Mechanismus wird erläutert, und gewisse praktische Fragen werden analysiert (II.). Danach wird das Verhältnis des Kapitalbands zum bedingten Kapital analysiert (III.). Untersucht werden in diesem Zusammenhang das bedingte Kapital ausserhalb (1.) und innerhalb (2.) des Kapitalbands sowie der Ablauf der Dauer des Kapitalbands, wenn der Verwaltungsrat das Aktienkapital aus bedingtem Kapital erhöht hat (3.).

Hinweise:

  • Dieser Beitrag basiert auf einem Teil der Präsentation des Verfassers zum Thema «Statutenregelungen zum Kapitalband», die an der 19. Zürcher Aktienrechtstagung vom 7. September 2022 gehalten wurde.
  • Alle Gesetzesartikel werden bereits in der Fassung des OR am 1.1.2023 angegeben.
  • Der Autor dankt Herrn Julian Bader, Grafiker an der Universität Lausanne am Centre de soutien à l’enseignement, für seine Hilfe bei der Herstellung der Schemas.

I. Einführung

Das Institut des Kapitalbands (OR 653s-653v) wurde mit der Revision vom 19. Juni 2020 eingeführt und konkretisiert einen der Schwerpunkte der Reform: die Flexibilisierung der Kapitalbestimmungen und der Verfahren zur Kapitalerhöhung und -herabsetzung (Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts [Aktienrecht] vom 23. November 2016 [BBl 2017 399], 409, 513 [Botschaft 2016]); es existiert lediglich im Aktienrecht (und bei der KmAG als Sonderform der Aktiengesellschaft [AG]).

Das Kapitalband erweitert die Möglichkeiten des Verwaltungsrats [VR], das Eigenkapital zu bestimmen. Die Kompetenz des VR zur Finanzierung von Investitionsprojekten wird damit breiter, da er sowohl auf Eigenkapital als auch auf Fremdkapital zugreifen kann. Das erlaubt z.B. dem VR im Falle eines Unternehmenskaufs, das Kapital einfacher zu erhöhen und Aktien für ein Angebot zum Austausch von Anteilen zur Verfügung zu stellen (FusG 7, 13 I [b]), oder es ermöglicht, bei Neugründungen, eine schnelle Erhöhung des Eigenkapitals entsprechend der Entwicklung des Unternehmens. Das Kapitalband bietet auch eine zusätzliche Möglichkeit zur Sanierung ausserhalb des Nachlassverfahrens (Botschaft 2016, 463) und erlaubt, im Falle einer Überkapitalisierung, einen flexibleren Kapitalabbau (s. allgemein Peter Forstmoser/Marcel Küchler, Schweizerisches Aktienrecht 2020, Mit neuem Recht der GmbH und der Genossenschaft und den weiteren Gesetzesänderungen, Bern 2022, Vorbemerkungen zu OR 653s-653v N 16 [Forstmoser/Küchler]).

Das Kapitalband kombiniert – und ersetzt funktional – das Institut der genehmigten Kapitalerhöhung, das bis am 31. Dezember 2022 in aOR 651 f. geregelt und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle vom 19. Juni 2020, am 1. Januar 2023, aufgehoben sein wird, mit dem symmetrischen – dem alten Recht unbekannten – Institut der «genehmigten Kapitalherabsetzung». Das Kapitalband wurde der Einführung einer genehmigten Kapitalherabsetzung vorgezogen, die neben der genehmigten Kapitalerhöhung bestanden hätte (Bundesamt für Justiz, Bericht vom 17. September 2015 zur Vernehmlassung zum Vorentwurf vom 28. November 2014 zur Änderung des Obligationenrechts [Aktienrecht], Bern 2014, 9 ff.; s. auch Botschaft 2016, 435).

Rechtsvergleichend liegt das Kapitalband materiell zwischen der kontinentalen Tradition des festen Aktienkapitals und dem Konzept des authorized capital des US-amerikanischen Rechts (Dieter Gericke, Kapitalband: Flexibilität in Harmonie und Dissonanz, in: Rolf Watter [Hrsg.], Die «grosse» Schweizer Aktienrechtsrevision, Eine Standortbestimmung per Ende 2010, Zürich/St. Gallen 2010, 113 ff., 114 [Gericke]). Zwei Elemente müssen in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden: Zum einen ist das Kapitalband ein originäres Instrument des schweizerischen Rechts, das in dieser Form in keiner anderen Rechtsordnung zu finden ist. Zum anderen geht die Schweiz weiter als ihre Nachbarländer, obwohl sich in Europa ein allgemeiner Trend zur Flexibilisierung der Kapitalstruktur abzeichnet (Benjamin Büchler, Das Kapitalband, Zürich 2012, N 423 ff., 479 f. [Büchler]).

II. Grundprinzipien

1. Rahmenbedingungen

OR 653s I erlaubt es den Gründern – einstimmig – oder der Generalversammlung [GV] durch Statutenänderung (Beschluss mit qualifizierter Mehrheit, OR 704 I [5]), den VR für eine Höchstdauer von fünf Jahren statutarisch zu ermächtigen, das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite – das Kapitalband – zu erhöhen oder herabzusetzen. Da das Gesetz von einem Kapitalband, im Singular, spricht (OR 653s I, 1. Satz; OR 653t I), können die Statuten nicht gleichzeitig mehrere Kapitalbänder vorsehen. Die statutarische Genehmigung kann sich auch auf die Schaffung oder Änderung von Partizipationskapital beziehen (OR 653t I [4], [10]; 656a IV [4]).

Die Statuten müssen zwingend die obere und untere Grenze des Kapitalbands vorsehen (OR 653s I, OR 653t I [1]), welche die effektiven Grenzen der Ermächtigung des VR darstellen, das Aktienkapital innerhalb des Kapitalbands zu verändern. OR 653t I (1) ist in Verbindung mit OR 653s II zu lesen: Während OR 653s II den theoretisch möglichen Bereich des Kapitalbands angibt, der zwischen der maximalen Obergrenze und der minimalen Untergrenze liegen muss, konkretisiert OR 653t I (1) den effektiven Willen der Gründer oder der GV. Die obere und untere Grenze des Kapitalbands müssen nämlich im Intervall zwischen der maximalen Obergrenze und der minimalen Untergrenze liegen.

Die maximale Obergrenze des Kapitalbands – d.h. der Wert, bis zu dem der VR durch die Statuten ermächtigt werden kann, das Aktienkapital zu erhöhen – darf das Anderthalbfache des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals nicht übersteigen (OR 653s II, 1. Satz). Diese Obergrenze gilt jedoch nicht im Falle einer Absorptionsfusion (FusG 3 I [a], 9 II), und die Bestimmungen zum Vorrats- und Wandlungskapital des BankG (BankG 12 f.) bleiben vorbehalten. Die minimale Untergrenze des Kapitalbands – d.h. der Wert, unterhalb dessen der VR durch die Statuten nicht zur Herabsetzung des Aktienkapitals ermächtigt werden kann – darf ihrerseits nicht weniger als die Hälfte des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals betragen (OR 653s II, 2. Satz); zusätzlich muss das gesetzliche Mindestkapital von CHF 100'000 (OR 621 I) auf jeden Fall eingehalten werden (Botschaft 2016, 513). Wenn das Aktienkapital der AG zwischen CHF 100'000 und 200'000 liegt, beträgt die minimale Untergrenze des Kapitalbands also zwangsläufig CHF 100'000, wobei die statutarisch vorgesehene Grenze natürlich höher sein kann (Damiano Canapa, Marge de fluctuation du capital [art. 653s ss nCO]: de la sauvegarde des créanciers et des actionnaires, en particulier lors de l’acquisition par la SA de ses propres actions, SZW 2022, 229 ff., 232 [Canapa]).

Das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital, das als Bezugsgrösse für die Berechnung der maximalen Obergrenze und der minimalen Untergrenze dient, ist das Aktienkapital am Tag der Beschlussfassung (Stichtagsprinzip). Hat eine AG Partizipationsscheine ausgegeben, so wird der Betrag des Partizipationskapitals zur Bestimmung der maximalen Obergrenze und der minimalen Untergrenze des Kapitalbands zum Aktienkapital addiert (OR 656b III [5]).

2. Erhöhung und Herabsetzung des Aktienkapitals innerhalb des Kapitalbands

Bei jedem Beschluss über die Erhöhung und Herabsetzung des Aktienkapitals muss der VR die Bestimmungen von OR 653u II-V beachten. Insbesondere bestimmt OR 653u V, dass die Vorschriften zur ordentlichen Kapitalerhöhung, zur Kapitalerhöhung aus bedingtem Kapital und zur Kapitalherabsetzung sinngemäss gelten. Bei einer ordentlichen Kapitalherabsetzung sind zudem die Bestimmungen zur Sicherstellung der Forderungen, zum Zwischenabschluss und zur Prüfungsbestätigung sinngemäss anwendbar (OR 653u III).

Ein Beschluss des VR muss spätestens am letzten Tag der Ermächtigungsdauer gefällt werden. Die Ausführung des Beschlusses kann auch nach Ablauf der Frist erfolgen, einschliesslich der Eintragung in das Handelsregister (Urs Schenker, Das Kapitalband, Flexibilisierung des Kapitals mit Gefahren für Aktionäre und Gläubiger, in: Matthias P.A. Müller/Lucas Forrer/Floris Zuur [Hrsg.], Das Aktienrecht im Wandel, Zum 50. Geburtstag von Hans-Ueli Vogt, Zürich/St. Gallen 2020, 169 ff., 174, FN 17 [Schenker]). Der VR ist aber nicht verpflichtet, von der ihm durch die Statuten eingeräumten Möglichkeit, das Aktienkapital innerhalb des Kapitalbands zu ändern, Gebrauch zu machen.

3. Kapitalerhöhung innerhalb des Kapitalbands

Eine Kapitalerhöhung im Rahmen des Kapitalbands kann in Form einer ordentlichen Erhöhung des Aktienkapitals oder, falls die Statuten es erlauben, durch Erhöhung des Kapitals mittels bedingten Kapitals – durch Ausgabe von Wandel- oder Optionsrechten – erfolgen; die Erhöhung kann durch Ausgabe neuer Aktien oder durch Erhöhung des Nennwerts bestehender Aktien durchgeführt werden (Botschaft 2016, 513, 515).

Bei einer ordentlichen Erhöhung verweist OR 653u IV auf OR 650 ff. Folglich ist die Liste der in OR 650 II aufgeführten Elemente mit derjenigen in OR 653t I zu vergleichen: Dieser Artikel gibt an, welche Elemente in die Statuten aufgenommen werden müssen, wenn ein Kapitalband eingeführt wird; gegebenenfalls müssen Elemente vom VR in seinem Entscheid präzisiert werden (Büchler, N 365). Nach jeder Kapitalerhöhung muss der VR die erforderlichen Feststellungen machen und die Statuten ändern (OR 653u IV).

Falls der VR beschliesst, das Kapital innerhalb des Kapitalbands mit bedingtem Kapital zu erhöhen, verweist OR 653u V auf OR 653 ff. In diesem Fall sind jedoch die in OR 653b, der den Inhalt der statutarischen Grundlage aufzählt, vorgesehenen Angaben bereits in der statutarischen Ermächtigung zur Kapitalveränderung innerhalb des Kapitalbands festgelegt. OR 653t I (9) präzisiert nämlich, dass die Angaben gemäss OR 653b in den Statuten enthalten sein müssen. Im Anschluss an seinen Beschluss muss der VR die Statutenbestimmung, welche die Kapitalerhöhung mittels bedingten Kapitals einführt, im Handelsregister eintragen lassen; andernfalls sind die vor der Eintragung eingeräumten Wandel- oder Optionsrechte nichtig (OR 653b III).

4. Kapitalherabsetzung innerhalb des Kapitalbands

Eine Herabsetzung des Aktienkapitals innerhalb des Kapitalbands kann in Form einer ordentlichen Herabsetzung, einer Kapitalherabsetzung im Falle einer Unterbilanz oder durch eine gleichzeitige Herabsetzung und Erhöhung des Aktienkapitals («Harmonika») erfolgen. Die Herabsetzung wird durchgeführt, indem der Nennwert der Aktien reduziert und der der Reduktion entsprechende Betrag an die Aktionäre zurückgezahlt wird, oder durch die Vernichtung von Aktien, die zuvor von der AG erworben wurden (OR 653j II, vgl. Botschaft 2016, 513; Schenker, 181 f.). Da der Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft eine Voraussetzung für deren Vernichtung ist, erlaubt das Kapitalband der AG implizit, einen Rückkauf von Aktien vorzunehmen, deren Summe der Nominalwerte dem Höchstbetrag der durch das Kapitalband vorgesehenen Herabsetzung des Aktienkapitals entspricht (zum Spannungsverhältnis zwischen der Kapitalherabsetzung innerhalb des Kapitalbands und dem Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft im Rahmen von OR 659 II vgl. Canapa, 238 f.).

Der VR kann auch den Aktionären einen Teil der Liberierung jeder Aktie zurückzahlen (De-liberierung); auch in diesem Fall darf die Herabsetzung die untere Grenze des Kapitalbands nicht unterschreiten, falls sich damit das zur Zeit der Einführung des Kapitalbands bestehende Verhältnis zwischen liberiertem Kapital einerseits und Aktienkapital andererseits verringert. Aus diesem Grund darf z.B. der VR  bei voll liberiertem Aktienkapital nicht zunächst einen Teil der Liberierung zurückzahlen und damit die untere Grenze des Kapitalbands erreichen und danach noch das Kapital mittels einer Kapitalherabsetzung reduzieren, ohne den Anteil der Liberierung wieder zu erhöhen, sodass der liberierte Teil trotz der Kapitalherabsetzung immer mindestens so hoch ist, wie die untere Grenze des Kapitalbands.1

Bei einer ordentlichen Kapitalherabsetzung verweist OR 653u V auf OR 653j ff. Die Situation ist somit symmetrisch zu derjenigen bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung. Der VR muss insbesondere sicherstellen, dass die Schutzmassnahmen von OR 653k-653m respektiert werden. Nach Abschluss jeder Herabsetzung muss der VR die erforderlichen Feststellungen machen und die Statuten ändern (OR 653u IV). Insbesondere sieht OR 653o I vor, dass der VR, sobald alle Voraussetzungen für die Herabsetzung des Aktienkapitals erfüllt sind, die Statuten ändern und feststellen muss, dass die Transaktion zum Zeitpunkt der Feststellungen die Anforderungen des Gesetzes, der Statuten und des GV-Beschlusses erfüllt; der VR muss auch feststellen, dass ihm die Belege, auf denen die Kapitalherabsetzung beruht, vorgelegen haben.

Der Gesetzgeber hat bei der Herabsetzung des Aktienkapitals im Falle einer Unterbilanz (OR 653p I i.f.) und bei der gleichzeitigen Herabsetzung und Erhöhung des Aktienkapitals (OR 653q I i.f.) aufgrund der Besonderheiten dieser Institutionen erleichterte Bedingungen vorgesehen. Diese Bestimmungen sollen auch im Falle solcher Operationen innerhalb des Kapitalbands gelten. Falls der VR entscheidet, innerhalb des Kapitalbands das Aktienkapital herabzusetzen und gleichzeitig mindestens auf den bisherigen Betrag wieder zu erhöhen (OR 653q f. i.V.m. OR 653u V), muss die Herabsetzung des Aktienkapitals immer innerhalb der statutarischen Ermächtigung bleiben. Insbesondere darf der VR das Aktienkapital nicht auf einen Betrag von weniger als CHF 100'000 herabsetzen, und zwar nicht einmal für eine «logische Sekunde» (in Abweichung von OR 653j III): Einerseits darf das Aktienkapital – auch im Falle des Kapitalbands – nicht auf einen Betrag von weniger als CHF 100'000 herabgesetzt werden (s. oben II.1.; Botschaft 2016, 513; s. auch Hans Caspar von der Crone/Giovanni Dazio, Das Kapitalband im neuen Aktienrecht, SZW 2020 505 ff., 513 f. [von der Crone/Dazio]); andererseits sieht OR 653u I vor, dass der VR das Aktienkapital nur innerhalb der durch die Ermächtigung der GV festgelegten Grenzen herabsetzen kann.

III. Verhältnis zwischen Kapitalband und bedingtem Kapital

Das Verhältnis zwischen dem Kapitalband und dem bedingten Kapital wird in OR 653v II geregelt. Die Schaffung des bedingten Kapitals kann ausserhalb (1. Satz) oder innerhalb (2. Satz) des Kapitalbands erfolgen (zu dieser Unterscheidung vgl. Olivier Baum, Kapitalband und bedingtes Kapital im Entwurf zur Aktienrechtsrevision, Zwei Spieler derselben Mannschaft?, GesKR 2017 47 ff., 48 f. [Baum]). Beide Möglichkeiten können kombiniert werden: Es ist möglich, dass die GV gleichzeitig bedingtes Kapital ausserhalb und innerhalb der Grenzen des bestehenden Kapitalbands schafft (gl.M. Baum, 49; Thomas Reutter/Annina Hammer, Lediglich «Punktuelle Anpassungen und Präzisierungen der Bestimmungen zum bedingten Kapital»? Bedingt zutreffend!, SZW 2021 302 ff., 303 f.). Es ist auch denkbar, dass ein Kapitalband, das den VR ermächtigt, das Aktienkapital mit bedingtem Kapital zu erhöhen, neben bedingtem Kapital besteht, das von der GV nach OR 653 ff. beschlossen wird (Baum, 49).

1. Bedingtes Kapital ausserhalb des Kapitalbands

Wenn die GV die Schaffung eines bedingten Kapitals ausserhalb des Kapitalbands beschliesst, werden nach OR 653v II, 1. Satz, die Ober- und Untergrenze des Kapitalbands im gleichen Umfang dynamisch erhöht, je nachdem, wie hoch die Erhöhung des Aktienkapitals durch die Ausübung der Wandel- und Optionsrechte ausfällt. Grundsätzlich bleibt die Breite des Kapitalbands unverändert und damit auch der Handlungsspielraum des VR. Im Übrigen bleibt es der GV überlassen, ein neues Kapitalband vorzusehen, das dem erhöhten Kapital Rechnung trägt und dem VR einen grösseren Handlungsspielraum einräumt (von der Crone/Dazio, 517). Es ist unerheblich, ob das bedingte Kapital von der GV vor, gleichzeitig oder nach der Einrichtung der Bandbreite geschaffen wird (OR 653v II, 1. Satz i.V.m. OR 653g II).

Gemäss OR 653g II passt der VR bei der Änderung der Statuten am Ende jedes Geschäftsjahres die Ober- und Untergrenze des Kapitalbands entsprechend an.

Schema 1: Bedingtes Kapital ausserhalb des Kapitalbands

2. Bedingtes Kapital innerhalb des Kapitalbands

OR 653v II, 2. Satz sieht vor, dass die GV innerhalb des bestehenden Kapitalbands beschliessen kann, dem VR nachträglich eine Ermächtigung zur Kapitalerhöhung durch bedingtes Kapital zu erteilen.

Diese Bestimmung stellt eine lex specialis dar, welche die ursprüngliche Ermächtigung des VR ändert, ohne dass alle Voraussetzungen für die Einführung eines Kapitalbands erfüllt sein müssen. Die GV darf dem VR jedoch keinen Handlungsspielraum einräumen, der über die Obergrenze des in den Statuten vorgesehenen Kapitalbands hinausgeht. Tatsächlich kann die GV dem VR nicht die Befugnis erteilen, ein bedingtes Kapital zu bilden, das grösser ist als die Obergrenze des Kapitalbands. Eine solche Ermächtigung ginge nicht ohne eine entsprechende Erhöhung dieser Grenze, was eine Änderung der Statutenklausel verlangen würde.

Schema 2: Bedingtes Kapital innerhalb des Kapitalbands

3. Ablauf der Dauer des Kapitalbands, wenn der VR das Aktienkapital mit bedingtem Kapital erhöht hat

Hat der VR das Aktienkapital mit bedingtem Kapital innerhalb des Kapitalbands erhöht und dafür Wandel- oder Optionsrechte ausgegeben, so sollen diese Rechte ihre Gültigkeit über die Dauer der statutarischen Klausel, die das Kapitalband vorsieht, behalten, sofern die Statuten keine abweichende Regelung vorsehen. Dies bedeutet, dass die statutarischen Bestimmungen, die der VR zum Zeitpunkt der bedingten Kapitalerhöhung im Rahmen des Kapitalbands erlassen hat, weiterhin gültig bleiben, 1) wenn die Gültigkeitsdauer der Ermächtigung abläuft oder 2) wenn die Ermächtigung erlischt, falls die Erhöhung noch im Gange ist (gl.M. Gericke, 40; Baum, 58; contra oder zumindest skeptisch Forstmoser/Küchler, OR 653g N 6 f.; OR 653v N 8).

In einem solchen Fall soll daher OR 653i Vorrang vor OR 653t II haben (gl.M. Gericke, 39; von der Crone/Dazio, 512 f.): Die statutarischen Bestimmungen werden aufgehoben, wenn eine der drei Voraussetzungen von OR 653i erfüllt ist, d.h. wenn die Wandel- oder Optionsrechte erloschen sind (Abs. 1 Ziff. 1), wenn keine derartigen Rechte eingeräumt wurden (Abs. 1 Ziff. 2) oder wenn alle oder ein Teil der Berechtigten auf die Ausübung ihrer Wandel- oder Optionsrechte verzichtet haben (Abs. 1 Ziff. 3). Dieses Vorgehen soll die Inhaber von Wandel- oder Optionsrechten, die im Rahmen einer Erhöhung mit bedingtem Kapital innerhalb des Kapitalbands ausgegeben wurden, schützen (Peter R. Isler/Gaudenz G. Zindel, Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen in der Aktienrechtsrevision, in: Rolf Watter [Hrsg.], Die «grosse» Schweizer Aktienrechtsrevision, Eine Standortbestimmung per Ende 2010, Zürich/St. Gallen 2010, 81 ff., 93). Hingegen darf der VR keine neuen Wandel- oder Optionsrechte im Zusammenhang mit einer Erhöhung mittels bedingten Kapitals innerhalb eines Kapitalbands ausgeben, nachdem die Laufzeit der Statutenklausel, die das Kapitalband vorsieht, abgelaufen ist (von der Crone/Dazio, 513).

Schema 3: Ablauf der Dauer des Kapitalbands, wenn der Verwaltungsrat das Aktienkapital innerhalb des Kapitalbands mit bedingtem Kapital erhöht hat

  • 1. Dieser Abschnitt wurde am 2.10.2022 nachträglich präzisiert.
iusNet GR 29.09.2022