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iusNet-GR 1/2024

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Vor gut einem Jahr ist das neue Aktienrecht in Kraft getreten: Zeit für eine Zwischenbilanz. Simone Ehrsam und Lukas Held legen die bisherigen Erkenntnisse aus der Durchführung von Generalversammlungen unter dem revidierten Recht dar. Franz J. Kessler widmet sich den Auswirkungen der Aktienrechtsrevision auf die Tätigkeit von Verwaltungsräten.

Eine Aktionärin mit 20%-Kapitalbeteiligung muss ihr Recht, einen nach Swiss GAAP FER erstellten Jahresabschluss zu verlangen, gemäss einem neuen Urteil bis spätestens Mitte Geschäftsjahr geltend machen (BGer 4A_369/2023, Publikation vorgesehen). Vorliegend wurde das Begehren zu spät gestellt.

Die Einholung von Prüfungsbestätigungen ist für Gesellschaftsrechtler Routine. Welche Prüfungshandlungen ein Revisionsexperte hierzu vornehmen muss, zeigt ein Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung (BGer 2C_76/2023). Ein Revisionsexperte verliert vorübergehend seine Zulassung, weil er wertvolle Kunstgemälde zu leichtfertig und ohne die vorgeschriebene Dokumentierung als Sacheinlagen bestätigt hat. Das Handelsregisteramt schöpfte Verdacht. In diesem Zusammenhang sei ausserdem auf den Entscheid vom 14. November 2023 hingewiesen, wonach das Bundesverwaltungsgericht beim Entzug der Zulassung eines hochrangigen Vertreters von Deloitte den aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK fliessenden Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung verletzt hat (BGer 2C_384/2022).

Die aus dem Eintrag im Aktienregister abgeleitete Vermutung der Aktionärseigenschaft ist bekanntlich widerlegbar. In der Praxis kann strittig sein, ob ein Dokument ein Aktienregister darstellt und welche sonstigen Unterlagen als Nachweis für die Titelübertragung auf den angeblichen Aktionär verwendet werden können (BGer 4A_251/2023).

Ein Kleinstaktionär der Schweizer Gesellschaft eines Versicherungskonzerns wehrt sich vergeblich gegen eine Dividendenausschüttung, indem er zusätzliche Informationen verlangt. Es ist nicht klar, weshalb die verlangte Auskunft für die Ausübung von Aktionärsrechten erforderlich sein soll (BGer 4A_487/2023).

Erfolglos bleibt auch eine Rückerstattungsklage wegen eines Fahrzeugverkaufs in Doppelvertretung, ohne dass die behauptete übliche Gewinnmarge zur Anwendung gelangt ist (BGer 4A_477/2023).

Künftig orientiert Sie ein besonderer «Newsletter express» anhand deutscher Kurzzusammenfassungen sporadisch über relevante in französischer Sprache ergangene Bundesgerichtsurteile zum Gesellschaftsrecht.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und stehen Ihnen für Anregungen gerne zur Verfügung.

Ihre Redaktion iusNet Gesellschaftsrecht

Harald Bärtschi / Stephanie Stohwasser

 

 

Fachbeiträge

Generalversammlung bei kotierten Gesellschaften – Lessons learned

Aktiengesellschaft (AG)

Aktiengesellschaft (AG)
Generalversammlung bei kotierten Gesellschaften – Lessons learned
Die kotierten Gesellschaften haben von den ihnen seit der Aktienrechtsrevision neu zukommenden Gestaltungsmöglichkeiten bisher zurückhaltend Gebrauch gemacht. Obwohl die Mehrheit der Gesellschaften die für die Durchführung von virtuellen Generalversammlungen erforderliche Statutengrundlage eingeführt haben, zeichnet sich in der Praxis noch kein Trend zu rein virtuellen Generalversammlungen ab. Insgesamt haben die neu geltenden Pflichten in der ersten Generalversammlungssaison unter dem neuen Aktienrecht zu keinen namhaften Schwierigkeiten geführt. Trotzdem bietet sich an, ein Blick auf die ersten Lessons learned zu werfen.

Wie hat sich der Alltag des Verwaltungsrats unter neuem Aktienrecht verändert?

Aktiengesellschaft (AG)

Aktiengesellschaft (AG)
Wie hat sich der Alltag des Verwaltungsrats unter neuem Aktienrecht verändert?
Mit dem revidierten Aktienrecht haben sich auch im Alltag des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft einige Veränderungen ergeben. Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die gesetzlichen Neuerungen und deren praktische Umsetzung. Genauer beleuchtet werden die Nutzung der neuen gesetzlichen Möglichkeiten für die Sitzungsorganisation und Beschlussfassung im Verwaltungsrat, der Umgang mit Interessenkonflikten sowie die angepassten Pflichten bei einer finanziellen Schieflage der Gesellschaft.

 

Rechtsprechung

 

Rechnungslegung

Rechnungslegung
Verspätete Geltendmachung des Rechts auf Abschluss nach anerkanntem Rechnungslegungsstandard
Zusammenfassung von BGer 4A_369/2023, Publikation vorgesehen
Aktionärinnen mit einer Kapitalbeteiligung von mindestens 20% sind befugt, einen Abschluss nach Swiss GAAP FER, IFRS, US GAAP oder einem anderen anerkannten Rechnungslegungsstandard zu verlangen. Dieses Recht muss in der ersten Hälfte des betreffenden Geschäftsjahrs, also bis spätestens sechs Monate vor dem Stichtag der Jahresrechnung, ausgeübt werden. Die im Gesetz nicht vorgesehene Befristung rechtfertigt sich mit dem Zeitbedarf für die Umstellung und für die vorgeschriebene Prüfung.

 

Gesellschaftsrecht

Gesellschaftsrecht

Aktiengesellschaft (AG)

Aktiengesellschaft (AG)
Mangelhafte Prüfung von Sacheinlagen durch Revisionsexperten
Zusammenfassung von BGer 2C_76/2023
Bei Sacheinlagen muss der Revisionsexperte prüfen, ob diese bilanzierungsfähig, frei übertragbar, frei verfügbar und verwertbar sind. Jede Prüfungshandlung ist zu dokumentieren. Schwerwiegende Pflichtverletzungen rechtfertigen ohne vorherige Androhung einen vorübergehenden Entzug der Zulassung. Die dreijährige Sperrung eines Revisionsexperten, welcher Sacheinlagen von Kunstgemälden im Wert von über CHF 165 Mio. nicht pflichtgemäss überprüft und Meldepflichten verletzt hat, ist verhältnismässig.

 

Gesellschaftsrecht

Gesellschaftsrecht

Aktiengesellschaft (AG)

Aktiengesellschaft (AG)
Aktienbuch und Anforderungen an Nachweis der Aktionärseigenschaft
Zusammenfassung von BGer 4A_251/2023
Ist ein angebliches Aktienbuch unvollständig ausgefüllt und weder datiert noch unterzeichnet, begründet es keine Vermutung der Aktionärseigenschaft. Die für die Übertragung vinkulierter Namenaktien erforderliche Genehmigung der Gesellschaft lässt sich nicht allein aus der Unterschrift eines Verwaltungsrats ableiten, welche beim Indossament angebracht wird und mit dem Firmenstempel einer Gruppengesellschaft versehen ist. Die vorinstanzliche Beurteilung erweist sich insoweit nicht als willkürlich.

 

Gesellschaftsrecht

Gesellschaftsrecht

Aktiengesellschaft (AG)

Aktiengesellschaft (AG)
Auskunftsrecht eines Kleinaktionärs hinsichtlich Dividendenausschüttung
Zusammenfassung von BGer 4A_487/2023
Um einen Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft durchzusetzen, muss der Kleinaktionär darlegen, weshalb die verlangten Informationen im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs für die Ausübung seiner Aktionärsrechte erforderlich sind. Die Unzufriedenheit über eine von der Generalversammlung rechtsgültig beschlossene Dividende rechtfertigt den Auskunftsanspruch nicht. Ob schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft dem Auskunftsrecht entgegenstünden, kann offenbleiben.

 

Gesellschaftsrecht

Gesellschaftsrecht

Aktiengesellschaft (AG)

Aktiengesellschaft (AG)
Fahrzeugverkauf als verdeckte Gewinnausschüttung?
Zusammenfassung von BGer 4A_477/2023
Wer gegen die Vertragspartei einer Aktiengesellschaft oder GmbH einen Rückerstattungsanspruch (Art. 678 Abs. 2 OR) geltend macht, muss unter anderem ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nachweisen. Wird das Missverhältnis mit einer unterdurchschnittlichen Gewinnmarge begründet, sind im Bestreitungsfall repräsentative Belege zu den erzielten Gewinnmargen im Zeitraum der beanstandeten Transaktion vorzulegen. Einzelne Beispiele mit hoher Gewinnmarge genügen nicht.